Vorgeschichte

Auf einem östlich der Stadt gelegenen Hügel begann Prinz Christian, ein Bruder des regierenden Groß­h­erzogs Ludwigs I., um 1800 anstelle eines Weinbergs eine Parkanlage zu planen. Die damals erbaute Einfriedung ist als Bruchstein­mauer an der Erbacher Straße in großen Teilen noch erhalten. Sein Nachfolger, Groß­­herzog Ludwig III. führte diese Planungen fort. Nach seiner Gattin Mathilde erhielt die nun als Landschafts­park gestaltete Grünanlage ihren Namen. Der um 1830 angelegte Platanen­hain zeugt aus dieser Zeit und ist heute ein wichtiger Bereich der 1899 gegründeten Künstler­­kolonie auf der Mathildenhöhe. Ein Sommerhäuschen an prominenter Stelle, nach Plänen des klassizist­ischen Hofbaumeisters Georg Moller erbaut, musste der im selben Jahr geweihten Russische Kapelle weichen.

Die Bevölkerung Darmstadts vervielfachte sich in diesen Jahren des industriellen Wachstums und wirtschaft­lichen Aufschwungs und benötigte eine moderne Wasser­­ver­sorgung. Der in solchen Konstruktionen erfahrene Ingenieur Otto Lueger wurde mit der Planung beauftragt. Das dafür erforderliche gelegene Wasser­­reservoir konnte auf der Mathildenhöhe, der höchsten stadtnah gelegenen Erhebung, 1880 fertig­gestellt werden. Das bis 1994 genutzte Bauwerk bildet den Unterbau des Aus­stel­lungs­gebäudes und gilt als technisches Denkmal.

Inzwischen begann die sich ausdehnende Bebauung der Stadt auch Bereiche der Mathildenhöhe einzunehmen. Um eine architekt­­onisch anspruchs­volle Weiter­entwicklung dieses Geländes in die Wege zu leiten, beauftragte Groß­­herzog Ernst Ludwig 1897 den Arch­itekten Karl Hofmann mit dem Entwurf einer städtebau­lichen Konzeption für den südlichen und westlichen Teil der Parkanlage. Nach seinen Plänen wurden entlang der Straßen Victoria-Melitta-Weg (heute Prinz-Christians-Weg), Alexandraw­eg und Nikolaiweg eine Reihe von Villen nach den Entwürfen namhafter Arch­itekten wie Paul Wallot, Alfred Messel, Heinrich Metzendorf und Friedrich Pützer erbaut. Das Zentrum der Mathildenhöhe aber sollte für die 1899 gegründete Künstler­­kolonie mit ihren Bauwerken, Gartenanlagen und Skulpturen zur Verfügung stehen.

1901 - Die erste Aus­stellung der Künstler­­kolonie Darmstadt

Bereits 1898 fand auf Initiative des Verlegers Alexander Koch in Zusammen­arbeit mit dem Kunstverein und der „Freien Vereinigung Darm­städter Künstler“ eine „Erste Darm­städter Kunst- und Kunst­gewerbe­ausstellung“ in der Kunsthalle statt. Sowohl hier als auch im Gewerbemuseum konnten bereits einige der späteren Mitglieder der Künstler­­kolonie ihre Werke ausstellen. Der Groß­­herzog Ernst Ludwig nahm die Strömungen der Zeit war und gründete unter Mitwirkung Kochs 1899 die Künstler­­kolonie auf der Mathildenhöhe.

Für die Berufung des ersten Mitglieds, dem Maler und Grafiker Hans Christiansen, musste der Groß­­herzog bis nach Paris reisen, um den international bekannten Künstler für seine Pläne in Darmstadt zu gewinnen. Im weiteren Verlauf wurden Peter Behrens aus München, Joseph Maria Olbrich aus Wien, Rudolf Bosselt aus Paris, die beiden jungen Münchner Künstler Paul Bürck und Patriz Huber und als einzig in Darmstadt ansässiger der Bildhauer Ludwig Habich berufen. Ein auf drei Jahre befristetes Gehalt und die Aussicht auf eine wachsende Auftragslage sollte die Zukunft dieser Künstler absichern. Vier dieser „ersten Sieben“ konnten sich einen zu günstigen Konditionen erworbenen Bauplatz auf der Mathildenhöhe leisten, um hier ihr Haus errichten zu lassen. Die beiden jüngsten Mitglieder Hubert und Bürck erhielten eine Wohnung im Atelierhaus.

Entsprechend der Arts and Crafts Bewegung in England, die sich die Erneuerung der Kunst und des Handwerks, verbunden mit Entwürfen einer im Sinne des modernen Menschen geplanten Architektur zum Ziel gesetzt hatte, wurden auf den Mathildenhöhe Wohn- und Künstlerhäuser geschaffen, die alle Bereiche des Lebens gestalten sollten und als Teil der Aus­stellung 1901 „Ein Dokument deutscher Kunst“ für den Besucher zur Besichtigung offen standen.

Das von Olbrich entworfene Atelier­gebäude, das Ernst-Ludwig-Haus, diente als Arbeits­platz. Dessen Inschrift „Seine Welt zeige der Künstler, die niemals war noch jemals sein wird“ über dem ornamental betonten Portal verweist auf den visionären Anspruch, umfassend eine Lebenswelt zu entwerfen, die sowohl eine ästhetische als auch eine im Sinne der Lebens­reform geschaffene Erneuerung des Alltags des modernen Menschen anstrebte. Der Grundstein wurde gelegt mit den Worten des Groß­h­erzogs „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst“, die das Ideal einer Verbindung von künstler­ischen Entwürfen und handwerk­licher Ausführung deutlich machen. In dieser Verknüpfung war zugleich auch eine wirtschaft­liche Belebung der heimatlichen Produktion anvisiert worden. Diese erste Aus­stellung der Künstler­­kolonie auf der Mathildenhöhe wurde gut besucht und international diskutiert, finanziell allerdings eine große Belastung für die Staatskasse.

1904 - Die zweite Aus­stellung der Künstler­­kolonie Darmstadt

Auf Grund der Erfahrungen der ersten Aus­stellung der Künstler­­kolonie plante man 1904 in wesentlich kleinerem Umfang. Viele der daran beteiligten Künstler hatten inzwischen Darmstadt verlassen, einzig Joseph Maria Olbrich und Ludwig Habich blieben auf der Mathildenhöhe. Neu Berufene waren der Bildhauer Daniel Greiner, der Designer Paul Haustein und der Maler und Grafiker Johann Vincenz Cissarz.

Für die Bildhauer wurde an das Atelier­gebäude von 1901 ein Anbau von Olbrich entworfen, der sich in seiner Außen­gestalt durch die Verwendung von Klinker­steinen deutlich abhebt. Hier finden heute wechselnde Aus­­stel­lungen statt, ein von außen zu­gänglicher Teil dient als Museumsladen.

Als einzige Wohnhäuser wurde an der südwestlichen Ecke der Mathildenhöhe die sogenannte Drei-Häuser-Gruppe errichtet. Olbrich plante ein Ensemble von drei Gebäuden, das als Baukomplex eine Einheit bildet und in seiner Architektur dennoch auf die Individualität des jeweiligen Bewohners verweist. Unter­schiedliche Baumaterialien und ausgeprägte Giebelformen betonen die Eigen­­ständig­keit dieser drei Häuser.

1908 – Die Hessische Landes­ausstellung

Ziel der 1908 eröffneten „Hessischen Landes­ausstellung für freie und angewandte Kunst“ war es, einen Überblick über „die hessischen Kunst­leistungen der Gegenwart“ zu präsentieren. Diesmal stellten nicht alleine die Mitglieder der Künstler­­kolonie Darmstadt Joseph Maria Olbrich, Albin Müller, Heinrich Jobst, die Brüder Friedrich Wilhelm und Christian Heinrich Kleukens, Josef Emil Schnecken­dorf, Jacob Julius Scharvogel, Daniel Greiner und Ernst Riegel ihre Werke aus, die Schau sollte über die Darm­städter Arbeiten hinaus kunst­handwerk­liche Produkte des ganzen Landes einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen.

Als wichtigstes Bauensemble der Künstler­­kolonie 1908 wurde der von Joseph Maria Olbrich geplante Hochzeits­turm mit dem an­grenzenden Aus­stel­lungsgebäude fertig­gestellt. Hierfür setzte Olbrich auf das 1880 entstandene Wasser­­reservoir seine die Mathildenhöhe prägende, monumentale Architektur und umgab sie mit klar geometrisch konstruierten Betonpergolen. Das zu Ehren der zweiten Ehe des Groß­h­erzogs mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich Hochzeits­turm genannte Wahr­zeichen der Stadt wird von einer markanten Fassaden­­gestaltung aus dunkelrotem Klinkerstein geprägt. Seine, die Zimmer des Fürstenpaares kennzeichn­enden übereck gesetzten Fensterbänder weisen bereits auf eine Bauweise des Express­ionismus der 1920er Jahre hin.

Eine Reihe von Muster­häusern wurde am Osthang der Mathildenhöhe als sogenannte „Klein­wohnungs­kolonie“ errichtet. Sechs Arch­itekten erhielten den Auftrag, je ein Musterhaus für den Siedlungsbau zu entwerfen, deren Erstellung nur noch etwa ein Zehntel der Kosten der 1901 entstandenen Villen benötigen durften. Drei dieser Häuser sind heute an der Erbacherstraße gegenüber dem Hofgut Oberfeld zu finden. Außerdem errichtete man entlang des Olbrichwegs drei Wohnhäuser, eines davon ist das von Olbrich geplante „Oberhessische Haus“. Hier wurden Produkte des ober­hessischen Kunst­handwerks aus­gestellt

Ein nur für die Dauer der Aus­stellung errichtetes Gebäude des Arch­itekten Albin Müller zeigte unter anderem den für Bad Nauheim geplanten Schmuckhof mit Keramiken von Jacob Julius Scharvogel und Skulpturen von Heinrich Jobst. Zur Gründung einer keram­ischen Werkstätte wurde bereits 1906 Scharvogel in die Künstler­­kolonie nach Darmstadt berufen und noch im selben Jahr konnte die dann von ihm geleitete „Groß­­herzogliche Keramische Manufaktur“ fertig­gestellt werden.

Vor allem mit der Möbel­herstellung der Firmen Alter, Trier und Glückert galt der Regierungs­bezirk Darmstadt in diesen Jahren als ein Zentrum des Rheinischen Handwerks. Als weitere Hand­werks­stätte wurde mit der Berufung des Glaskünstlers Josef Emil Schnecken­dorf 1907 die Groß­­herzogliche Edelglas­manufaktur eröffnet. Eine dritte Einrichtung, die „Ernst Ludwig Presse“, fertigte unter der Leitung Friedrich Wilhelm Kleukens und der Mitwirkung seines Bruders Christian Heinrichs hochwertig gestaltete und handwerk­lich anspruchs­volle Druckwerke an.

1914 – Die letzte Aus­stellung der Künstler­­kolonie Darmstadt

Schon 1913 sollte eine weitere Aus­stellung der Künstler­­kolonie auf der Mathildenhöhe stattfinden, die dann ein Jahr später unter der Leitung Albin Müllers realisiert werde konnte. Weitere Mitglieder waren wieder die Brüder Kleukens und Heinrich Jobst, auch Ernst Riegel konnte als Auswärtiger teilnehmen. Neu berufen wurden die Arch­itekten Emanuel Joseph Margold und Edmund Körner, der Bildhauer Bernhard Hoetger, die Maler Hans Pellar und Fritz Osswald sowie der Gold­schmied Theodor Wende.

Die vierte und letzte Aus­stellung der Künstler­­kolonie wurde am 16. Mai 1914 mit einem Festspiel eröffnet, an dem Schülerinnen der Duncan-Schule den reform­orien­tierten Ausdruckstanz nach Kompositionen Arnold Mendelssohns inszenierten. Das für diese Tanzschule in Darmstadt errichtete Gebäude auf der Marienhöhe ist erhalten und wird heute als Gymnasium genutzt.

Eine imposante Eingangs­architektur zur Aus­stellung entstand mit dem von Albin Müller geplanten „Löwentor“. Sechs monumentale Doppel­säulen trugen von Bernhard Hoetger geschaffene gusssteinerne Löwen. Heute bildet dieses Tor mit seinen Säulen das Portal zum Hoch­schul­stadion, während die Löwen auf mächtige Klinkerstelen gestellt den Eingang zum Park Rosenhöhe markieren.

Albin Müller entwarf auch das große Wasser­becken vor der Russischen Kapelle. Mit der Farbigkeit seiner Boden­fliesen, den gedrungenen Säulen am östlichen Abschluss und den sakralen Figuren Maria und Joseph nimmt das sogenannte „Lilien­becken“ Bezug auf die 1899 geweihte historistische Kirchen­architektur, um sie in das inzwischen gewachsene Jugendstil­ensemble zu integrieren.

Als künstler­ischer Leiter der Gesamt­anlage von 1914 ließ Albin Müller auf dem abfallenden Grünzug südlich der Kapelle temporär ein „Zerlegbares Ferienhaus“ aufstellen. Sein keramischer Garten­­pavillon aber mit seinen Doppel­säulen und einer flachen Kuppel ist als dauerhafte Architektur bis heute ein beliebter Ort für Besucher der Mathildenhöhe. Wegen seiner Relief­platten mit Schwanen­motiven wird er auch „Schwanen­­tempel“ genannt.

Den größten Baukomplex auf der Mathildenhöhe formte die aus acht Miets­häusern bestehende Gebäudegruppe, an die ein Trakt für Ateliers mit Wohnungen für Künstler angefügt wurde. Drei der von Albin Müller geplanten Häuser wurden, dem Programm der vorher­gehenden Aus­­stel­lungen ent­sprechend, von den Arch­itekten Edmund Körner, Emanuel Josef Margold und Albin Müller selbst mit je drei Wohnungen voll aus­gestattet und für Besucher zur Besichtigung geöffnet. In Ergänzung mit seinen Gartenanlagen sollte dieses Ensemble das als unschön empfundene Gelände mit Brauerei­­gebäuden im Osten verdecken. An Stelle der im Zeiten Weltkrieg zerstörten Miets­­häuser­­gruppe befindet sich heute ein modernes Bauwerk für die Hochschule für Design, nur das Atelier­gebäude ist erhalten geblieben.

Der Platanen­hain

Für den noch in der ehemaligen Parkanlage um 1830 angelegten Hain sind in regelmäßigem Abstand Platanen gepflanzt worden. Umgeben von einem mit Efeu bewachsenen Spalier ist dieser Ort ein in sich ge­schlossener Gartenbereich. Für die Aus­stellung 1914 wurde der Bildhauer und Architekt Bernhard Hoetger beauftragt, diesen Hain mit einem eigenen Skulpturen­programm auszustatten.

Schon die beiden Raubkatzen auf den Eingangs­pfeilern mit einem erwachenden und einem schlafenden Kind auf ihren Rücken geben dem Eintretenden einen Hinweis auf das allumfassende Thema dieses Ensembles: Tag und Nacht als Sinnbild für den Kreislauf in der Natur.

Die Brunnen­gruppe an der gegen­­über­liegenden Nordseite steht – wie die sieben in Nischen gerückten Krug­­träger­innen – für den Kreislauf des Wassers, der, dem Leben des Menschen gleich, eine ewige Widerkehr vom Himmel zur Erde zu durchlaufen habe. Vier große Relief­wände mit stehenden und hockenden Figuren versinn­bildlichen die Themen Frühling, Sommer, Schlaf und Auf­erstehung.

An der Begrenzung nach Westen, in die zentrale Mitte gesetzt, steht das Denkmal der sterbenden Mutter mit ihrem neugeborenen Kind auf dem Schoß, eine Hommage an die früh verstorbene Malerin Paula Modersohn-Becker. Eingebunden in die Reliefs des Frühlings und des Sommers für das werdende Leben und die Reliefs des Schlafs und der Auf­erstehung ist sie Teil des Kreislaufs von Werden und Vergehen, das mit weiteren Motiven wie den Schakal­vasen und den Wächter­löwen eine allumfassende Vorstellung des Künstlers vom Leben des Menschen, eingebunden in eine transzend­entale Wiederkehr, nach­voll­ziehen lässt.

Die Künstler­­kolonie Darmstadt von 1914 bis heute

Die baulichen Aktivitäten der Künstler­gemeinschaft auf der Mathildenhöhe fanden mit Beginn des Krieges im August 1914 ein jähes Ende. Selbst nach 1918 blieb es, womöglich bestärkt durch die harsche Kritik einiger Kollegen aus Arch­itekten­kreisen an den undogmatisch ent­worfenen Künstler­häusern, still auf dem Musenhügel. Das einst viel diskutierte Ensemble geriet weitgehend in Vergessenheit. Erst mit der „Wieder­entdeckung“ des Jugendstils in den 1950er Jahren wurden die Werke der Künstler­­kolonie bewusster wahr­genommen, jedoch noch immer nicht wertgeschätzt. Erst die große Retrospektive zu den Werken der Künstler­­kolonie „Ein Dokument Deutscher Kunst 1901 ∙ 1976“ unter der Leitung des Instituts­direktors Bernd Krimmel leitete eine Wende im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit ein.

Das städtische Aus­stel­lungs­wesen jedoch wurde in dem eigens dafür errichteten Aus­stel­lungsgebäude kontinuier­lich weiter betrieben. Im Anschluss an die Eröffnung 1908 fanden jährlich, mit Ausnahme der Kriegsjahre 1914-1916, große Kunstschauen in den Aus­stel­lungs­hallen statt. Seit ihrer Gründung 1919 richtete die Darm­städter Sezession ihre Jahresschau auf der Mathildenhöhe aus. Gleich nach Instand­setzung der im Zweiten Weltkrieg beschädigten Architektur, konnte am 25. Juli 1948 eine erste Aus­stellung „Moderne Meister aus dem Südwest­deutschen Raum“ eröffnet werden. Zum 50-jährigen Jubiläum der Künstler­­kolonie plante man 1951 eine Aus­stellung zur Geschichte der Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahr­hunderts, die zeitgleich mit dem zweiten „Darm­städter Gespräch“ in den Aus­stel­lungs­hallen gezeigt wurde. Die Gespräche selbst fanden 1951 in den Räumen der nahe gelegenen Otto-Berndt-Halle statt. Elf international bekannte Arch­itekten stellten Entwürfe für unter­schiedliche Bauaufgaben vor, die beispiel­gebend Lösungen für den modernen Wieder­auf­bau deutscher Städte aufzeigen sollten. Fünf dieser „Meisterbauten“ wurden in Darmstadt realisiert. Das Aus­stel­lungsgebäude wird zurzeit nach denkmal­pflegerischen Kriterien modernisiert und energetisch saniert. Es bleibt deshalb bis voraus­sichtlich Sommer 2023 ge­schlossen.

Die schon unter Groß­­herzog Ernst Ludwig ein­gericht­eten „Lehr­ateliers für angewandte Kunst“ (hier lehrte z.B. auch Albin Müller) fanden zunächst ihre Fortsetzung in der östlich der Aus­stel­lungs­hallen gelegenen Werkkunst­schule. 1964 bis 1971 wurde anstelle der Miet­wohn­häuser Albin Müllers ein modernes Gebäude für die Werkkunst­schule – heute Hochschule Darmstadt - Fachbereich Gestaltung – errichtet. Auch der Hochzeits­turm stand gleich nach Kriegsende für eine erneute Nutzung zur Verfügung. Schon in den ersten Jahren hatte der damalige Kultur­referent Wolfgang Steinecke den Plan, gemeinsam mit dem Maler Paul Thesing in Räumen des Hochzeits­­turms und als Ausweich­quartier im nahegelegenen Jagdschloss Kranichstein eine Lehrstätte für die Bildende Kunst einzurichten, um damit Darmstadt „einen gesamt­deutschen Ruf zu sichern, […] , im Geist der alten Darm­städter Künstler­­kolonie“, mit dem Ziel „vorbildlich auf die Erziehung eines für die neue Zeit tauglichen künstler­ischen Nachwuchses einwirken und in den Hauptfächern Malerei, Graphik und Plastik eine neue Generation heranbilden“ zu können. Ab 1949 konnte diese wenige Jahre zuvor gegründete Kunst­schule geeignetere Räume im 1914 von Albin Müller geplanten und noch erhaltenen Atelier­gebäude im Olbrichweg 10 beziehen. Hier hatten Künstler wie Carl Gunschmann (Maler), Emanuel Josef Margold (Architekt, Gestalter) und Kasimir Edschmid (Schrift­steller) ihren Arbeits­platz. Die Miets­­haus­­gruppe selbst, zu der die Ateliers als rückwärtiger Anbau gehörten, war 1944 zerstört und die Ruine abgetragen worden.

Im Hochzeits­turm , in einem Zwischenbau sowie in Teilen des Aus­stel­lungs­gebäudes und des Ernst-Ludwig-Hauses befinden sich heute Archive, Magazine und Werk­stätten des Instituts Mathildenhöhe, eine vom Magistrat der Stadt Darmstadt unterhaltene Kultur­einrichtung. Sein Büro befindet sich im „Ober­hessischen Haus“, ein von Joseph Maria Olbrich entworfenes und 1908 erbautes Gebäude. Diese Institution richtet die großen Aus­­stel­lungen aus, wie z.B. 2010 „Joseph Maria Olbrich 1867-1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne“. Sie betreut zudem das Museum Künstler­­kolonie, ihm ist auch die Verwaltung der Städtischen Kunstsammlung anvertraut. Das Institut Mathildenhöhe versteht sich als „Aus­stel­lungs­haus, wissen­schaftliche Einrichtung, Museum, Kunstsammlung, Tagungsort und eine Anstalt zur pädagogischen Vermittlung von kunst-, kultur- und geistes­wissen­schaftlichem Wissen.“ Mit dieser Fülle an Aufgaben kann es als „Zentrum der städtischen Kulturarbeit und auch der Kulturpolitik“ gelten.

Während die Aus­stel­lungs­hallen gleich nach 1945 ihrer Bestimmung ent­sprechend genutzt werden konnten, musste das bis 1944 weiterhin als Atelier­gebäude dienende Ernst-Ludwig-Haus erst wieder instand gesetzt werden. Ab den 1950er Jahren beherbergte das Ernst-Ludwig-Haus international bekannte Institutionen, wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Die 1949 in der Frank­furter Paulkirche gegründete Akademie tagte 1950 in den Hallen auf der Mathildenhöhe. Am 16. Oktober 1951 konnte sie ihre Arbeitsräume im Ernst-Ludwig-Haus beziehen und blieb dort bis zu ihrem Umzug 1971 ins Große Haus Glückert. Nachfolgend nahm anstelle der Akademie der Deutsche Werkbund hier seine Arbeit auf. Mit dem Arch­itekten Otto Bartning zog 1951 auch das von ihm aufgebaute Kirchen­bau­institut ein, es folgten die Martin-Behaim-Gesell­schaft, außerdem war im Ernst-Ludwig-Haus zeitweise der „Deutsche Kunstdienst“ unter Leitung von Hans Schwippert unter­gebracht. Der Architekt Walter Gropius setzte sich für die 1960 erfolgte Gründung des Bauhaus-Archivs unter der Leitung Hans Maria Winglers ein. Mit dem Ziel, die Geschichte des Bauhauses mit allen erhaltenen Dokumenten zu dokumentieren, konnte das Archiv 1961 erste Räume im Ernst-Ludwig-Haus beziehen. Für einen geplanten Neubau stellte Walter Gropius einen Entwurf für ein Grundstück auf der Darm­städter Rosenhöhe zur Verfügung, der aber aus Kostengründen nicht realisiert werden konnte. Das darauf hin nach Berlin über­siedelte Bauhaus-Archiv beherbergt heute die weltweit umfassendste Sammlung zur Geschichte des Bauhauses. 1971 schließ­lich bezog der Bundesverband des Deutschen Werkbundes Räume im ehemaligen Atelier­gebäude der Künstler­­kolonie und blieb dort bis 1986. Auch der Erasmus-Verlag fand hier eine Unterkunft. Im Jahr 1987 begannen Sanierungs­arbeiten am Ernst-Ludwig-Haus mit dem Ziel, ein Museum einrichten zu können. Es sollte die 16-jährige Geschichte der Künstler­­kolonie mit Werken ihrer 23 Mitglieder repräsent­ieren können. Dieses Museum Künstler­­kolonie Mathildenhöhe konnte 1990 mit einem Symposium zum Thema „Aufbruch zur Moderne“ eröffnet werden.

Die 1904 angebauten Bildhauer­ateliers blieben erhalten. Sie dienten zeitweise als Räume für die nach Kriegsende gegründete städtische „Lehrwerk­stätte der bildenden Kunst“. Zudem wurden die Ateliers in den folgenden Jahren von Bildhauern genutzt, zunächst von Fritz Schwarzbeck und Hermann Geibel, dann von Georg von Kovats, auch Richard Hess arbeitete zeitweise dort. Auch die gegenüber gelegene Werkkunst­schule nutzte Teile der Ateliers bis 1974. Heute stehen die Bildhauer­ateliers für Wechsel­ausstellungen zur Verfügung, im Oktogon ist der Museumsladen unter­gebracht.

Das Große Haus Glückert wurde 1961 von der Stadt erworben und renoviert. 1968 bezog der Deutsche Kunstrat Räume des Hauses, seit 1971 hat die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Deutschen Literaturfonds hier ihren Sitz. Eine erneute denkmalpflegerische Sanierung wird im Jahr 2021 begonnen. Nach Fertig­stellung wird das Erdgeschoss der Öffentlichkeit im Rahmen einer Aus­stellung dauerhaft zugänglich gemacht.

Im Haus Olbrich nahm nach Renovierungen des 1950 vereinfacht wieder aufgebauten Wohnhauses 1980 das Deutsche Poleninstitut unter dem damaligen Leiter Dr. Carl Dedecius seine Arbeit auf. Entsprechend den Vorgaben der Stifterin Frau Dr. Richtzenhain wurde das ehemalige Wohnhaus des Arch­itekten Olbrich somit zu einem „wissen­schaftlich- kulturellen und der Friedens­arbeit dienenden Zweck“ genutzt. Der Umgang mit der nur noch in Teilen erhaltenen historischen Substanz und dem nach der Kriegs­zerstörung vereinfacht wieder aufgebauten Ober­geschoss wurde seit 2017 in Beratergremien der Stadt, unter Beteiligung der Öffentlichkeit, umfänglich diskutiert. Seit 2018 wird das Sanierungskonzept nach hohen Qualitätsstandards umgesetzt. Nach der Fertig­stellung wird das Haus insgesamt der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung als Erweiterung Ihrer Arbeitsräume dienen.

Haus Deiters, das ehemalige Wohnhaus des geschäfts­führenden Sekretärs der Künstler­kolonie, ist erhalten geblieben. Bis 1988 wurde es als privates Wohnhaus genutzt. Hier lebten u.a. die Künstler­­kolonie-Mitglieder Albin Müller und Hans Pellar. Mit seinem Ankauf konnte die Stadt Darmstadt das Ziel verfolgen, alle privaten Ver­änderungen wieder zurück zu bauen und darin ab 1992 eine Galerie mit Gemälden und Grafiken des 19. Jahr­hunderts aus der städtischen Kunstsammlung zu eröffnen. Zwischen 1997 bis 2016 diente das Haus dem Deutschen Poleninstitut als Arbeits­stätte. Nach der jüngst erfolgten denkmal­pflegerischen Sanierung ist im Frühjahr 2020 das Forschungszentrum Mathildenhöhe ein­gerichtet worden. Die Räumlich­keiten werden seitdem durch das Kulturreferat der Stadt Darmstadt mit der Stabsstelle Ent­wicklung Mathildenhöhe, Welt­erbebüro und Site Management, sowie durch das Institut Mathildenhöhe genutzt.

Das 3. Darm­städter Gespräch 1952 mit der Aus­stellung „Mensch und Technik“ führte zur Gründung weiterer wichtiger Institutionen: Im Alfred-Messel-Haus (Eugen-Bracht-Weg 6) auf der Mathildenhöhe erhielt unter der ersten Leiterin Mia Seeger der 1953 in Darmstadt gegründete Rat für Formgebung eigene Räumlich­keiten. Hier fand bereits ein Jahr zuvor das Institut für Neue Technische Form seine Wirkungs­stätte. Heute arbeitet der 2006 gegründete Verein Hessen Design e.V. in diesem Haus.

Die 1953 von Prinz Ludwig von Hessen initiierte und von namhaften Darm­städter Bürgern gegründete Neue Künstler­­kolonie auf der nahe gelegenen Rosenhöhe sollte einen „Beitrag zur Überwindung der Nöte der geistig und künstler­isch Schaffenden“ leisten und wollte damit direkt an die Tradition der Künstler­­kolonie anknüpfen. Bereits 1955 wurden die ersten beiden Häuser Kasimir Edschmid und Rudof Sellner im Edschmidweg gebaut. 1965-67 entstanden weitere sieben Bungalows mit Ateliers im Ludwig-Engel-Weg. Hier konnten ebenfalls Schrift­steller, Musiker, Bildhauer und andere Kultur­schaffende zu vergünstigter Miete wohnen und arbeiten. Zu ihnen gehörten u.a. Karl Krolow, Gabriele Wohmann und Wilhelm Loth. Diese Tradition wird bis heute gepflegt. Hier wohnen heute u.a. die Schrift­stellerin Katja Behrens, der Bildhauer Thomas Duttenhoefer, der Filmemacher Christian Gropper, der Fotograf Lukas Einsele und weitere Kultur­schaffende dieser Stadt.