Hochzeits­turm

Entwurf:1905 - 1908Fertig­stellung:1908

Künstler:Joseph Maria Olbrich (1867 – 1908)

Der Hochzeits­turm wurde für die dritte Aus­stellung auf der Mathildenhöhe, die „Hessische Landes­ausstellung für freie und angewandte Kunst“ von Joseph Maria Olbrich geplant und 1908 fertig­gestellt. Namens­gebend war die zweite Hochzeit des Groß­h­erzogs Ernst Ludwig mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich, zu deren Ehren dieses Wahr­zeichen der Stadt errichtet wurde.

Der Turm besteht aus einer breiten verputzten Sockelzone mit dem Eingangs­portal, einem mit dunklen Klinkern gemauerten, hoch­auf­strebenden Turmkörper mit exzentrisch um die Ecke geführten Fenster­bändern und einer fünf­zinnigen aus dunkel glasierten Ziegeln gemauerten Krone.

In dem fast 50 Meter hohen Turm führen 209 Stufen zu einer Aussichts­ebene. Darunter befinden sich unter anderen die beiden Fürsten­zimmer, die heute auch als Ort für Hochzeiten genutzt werden.

Das Zimmer des Groß­h­erzogs der vierten Ebene wurde mit einem Wandgemälde des Malers Fritz Hegenbart aus­gestattet, das den künstler­ischen Aufbruch in eine neue Zeit vor Augen führt. Das Zimmer der Groß­­herzogin in der fünften Ebene enthält einen Bilder­zyklus des Malers Philipp Otto Schäfer, der die Regierungs­­bezirke des südlichen Hessens zugleich mit dem Hochzeits­paar thema­tisiert.

Mit seiner eigen­willigen, schlichten Form, der material­betonten Außenhaut und den über Eck geführten Fenster­bändern verweist die Architektur des Darm­städter Hochzeits­­turms bereits auf die Zeit des Express­ionismus. 

Der Hochzeits­turm ist in seiner Gesamtheit original erhalten, in der Bombennacht 1944 wurde lediglich das Dach der fünf Zinnen zerstört und später erneuert.

Relief (1907-08; Bildhauer: Heinrich Jobst)

Zur Erinnerung an die zweite Hochzeit des Groß­h­erzogs Ernst Ludwig mit Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich am 2. Februar 1905 entwarf das Künstler­­kolonie­mitglied Heinrich Jobst das Sand­stein­relief über dem Portal des Hochzeits­­turms.

Von einem Frucht­ornament gerahmt sind im unteren Teil die Wappen der beiden Häuser des Brautpaares einander gegen­über­gestellt. Sie werden von erklärenden Inschriften begleitet: ZUM GEDÄCHTNIS DER VERMÄHLUNG J.J.K.K.H.H.  DES GROSZ­HERZOGS ERNST LUDWIG UND DER GROSZ­HERZOGIN ELEONORE  ERRICHTET VON DER STADT DARMSTADT ANNO 1907-1908. Im Hintergrund breitet ein Lorbeerbaum seine Äste aus. Im oberen Feld werden auf kleine verzierte Sockel gestellt,  vier Tugenden einer guten Herrschaft mit ihren Attributen präsent­iert: STÄRKE UND WEISHEIT mit Löwe und Eule,  GERECHT­IGKEIT UND MILDE mit Waage und einem kauernden Menschen zu Füßen (als Zeichen für gerechte, aber milde Urteile), mittig liest man das Jahr der Hochzeit: ANNO 1905.

Wandmosaike (1914; Künstler: Friedrich Wilhelm Kleukens)

Für die Künstler­­kolonie-Aus­stellung 1914 entwarf Friedrich Wilhelm Kleukens zwei fein gearbeitete Wandmosaike, die sich thematisch auf die Hochzeit des Groß­h­erzogs Ernst Ludwig mit Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich beziehen.

Auf der Nordseite wird mit dem Mosaikbild „Der Kuss“ oder „Die Treue“ ein nacktes, junges Paar gezeigt, das liegend, einander zugewandt in innigem Kuss miteinander verbunden ist. Die idealen Körper werden überhöht durch ihre großen, nach oben geklappten Flügel, die von einem Sternenrund hinter­fangen werden. Auf stilisierte goldene Rosen gebettet, verkörpert das jugendliche Paar in sym­metrischer Anordnung eine absolute Harmonie. 

Auf der gegen­­über­liegenden Wand ist mit dem Mosaikbild „Fortuna“ die Figur der Glück­sgöttin in leicht fließendem Gewand zu sehen. Ihren beiden Füllhörnern entfliegen weiße Tauben, die als Zeichen der Liebe rote Rosen in die Welt tragen.

Diese beiden sich gegenüber liegenden Wandmosaike werden ergänzt durch ein Tonnen­gewölbe mit vergoldeter Oberfläche, auf die schwarze Sterne aufgetragen wurden.

Turmuhr (1914; Künstler: Albin Müller)

Für die Nordseite des Turms unterhalb der Fenster­reihe in Höhe der Aussichts­ebene entwarf Albin Müller 1914 als Flachrelief eine große vergoldete Uhr. Die schwarzen Zeiger und Ziffern heben sich deutlich von der golden leuchtenden Fläche ab. Das nahezu quadratische Feld wird von zwei aufrecht stehenden goldenen Fackeln flankiert, den unteren Zwischen­raum schmücken Kreuz, flammendes Herz und Anker, die Symbole für Glaube, Liebe und Hoffnung.

Sonnenuhr (1914; Künstler: Friedrich Wilhelm Kleukens)

Auf der schmalen Südseite in mittlerer Höhe glitzert bei schönem Wetter das Mosaik einer Sonnenuhr, 1914 von Friedrich Wilhelm Kleukens entworfen. Die gelben Strahlen auf weißem Grund bilden den Hintergrund für den Uhrzeiger, der bei Sonnen­schein seinen Schatten auf die Ziffern des nahezu quadrat­ischen Feldes wirft. In Medaillons gesetzt bilden zwölf Tier­kreis­zeichen einen Rahmen mit stil­isiertem dunke­lblauem Sternen­himmel. Die Sonne für den Tag und die Sterne für die Nacht nehmen Bezug auf das darunter befindliche Gedicht von Rudolf Binding (1867-1938), wobei anstelle der mittleren Strophe ein recht­eckiges Fenster gesetzt ist:

Der Tag geht über mein Gesicht
Die Nacht sie tastet leis vorbei
und Tag und Nacht ein Gleich­gewicht'
und Tag und Nacht ein Einerlei.

Es schreibt die dunkle Schrift der Tag,
und dunkler noch schreibt sie die Nacht
Und keiner lebt, der deuten mag,
was beider Schatten ihm gebracht.

Und ewig kreist die Schatten­schrift,
leblang stehst du im dunklen Spiel,
bis dich des Spieles Deutung trifft.
Die Zeit ist um, du bist am Ziel.


Die Mathildenhöhe in schwarz-weiß

Der Eingang zum Ernst-Ludwig-Haus